Lingyin Temple - Incense Altar#
Vor den großen Tempelhallen zeugen Opferschreine von der engen Symbiose zwischen Buddhismus und chinesischem Volksglauben, der Verehrung von Göttern und Ahnen. Religion ist im chinesischen Weltbild keine Sinnsuche, sondern die Forderung nach konkreten Gegenleistungen für dargebrachte Opfer. Götter sind im Grunde Vertragspartner, die man über Opfer bezahlt, damit sie z.B. Wünsche erfüllen, bei einer Prüfung helfen oder beruflichen Erfolg garantieren. Entsprechen sie den gestellten Erwartungen nicht, werden sie schnell degradiert oder abgesetzt. Götter sind eine Art überirdische Menschen, denn in der Natur gibt es nach Ansicht der Chinesen keinen Platz für eine echte transzendente Welt, weil die Natur eine Einheit bildet. Der Mensch hat im Kosmos nur insoferne eine hervorgehobene Stellung, als er bei der Erhaltung der sozialen Ordnung mitwirken darf. Auch Gottheiten haben einen genau definierten Platz in der Natur, verfügen aber in der Regel nur über eine begrenzte Anhängerschaft und sind oftmals nur von vorübergehender Bedeutung. Sie konnten von Kaisern ernannt, befördert und auch wieder verstoßen werden. Hier zeigt sich wieder der chinesische Pragmatismus: Man nehme, was gerade nützt und trenne sich von dem, was sich als nicht wirksam erweist. Daher teilen sich die Glaubenssysteme oftmals einen einzigen Tempel. Buddhastatuen und taoistische Götter leben friedlich mit den Geistern der Ahnen zusammen. Das macht es den Gläubigen leichter, alle religiösen Fragen in einem Aufwasch zu erledigen.